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  • AutorenbildDavid von der Thannen

Sebastian Kurz schuldig: Das Urteil gegen den Ex-Kanzler

Sebastian Kurz ist schuldig. Diese Worte von Richter Michael Radasztics schallten am vergangenen Freitag durch die Hallen des Wiener Straflandesgerichts. Kurz‘ Aussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss, wonach er als Kanzler in die Bestellung des Aufsichtsrats der ÖBAG nicht involviert gewesen sei, wertete das Gericht als „falsche Beweisaussage“ und verurteilte den ehemaligen Bundeskanzler zu einer Haftstrafe von 8 Monaten auf Bewährung.


Aber alles der Reihe nach. Bei der ÖBAG handelt es sich um die Österreichische Beteiligungs AG – also um eine Gesellschaft, die unternehmerische Beteiligungen des Staats Österreich an verschiedenen börsennotierten Unternehmen (z.B. an der OMV, Post, Casinos Austria) verwaltet. Im Jahr 2019 wurde Thomas Schmid, ein (damals) enger Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz zum Vorstand der ÖBAG bestellt.

Doch schon bald wirbelte diese Bestellung eine ganze Menge Staub auf: Schließlich wurde auf Schmids Handy eine nahezu unüberblickbare Anzahl privater Chatnachrichten gefunden, die auf politische Einflussnahme bei der Vergabe verschiedener Führungspositionen innerhalb der ÖBAG hindeuten. Vor diesem Hintergrund wurde Sebastian Kurz 2020 im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu seiner Rolle im Rahmen der entsprechenden Bestellungen befragt. Unter Wahrheitspflicht sagte der Bundeskanzler damals aus, er sei über die Bestellungsvorgänge nur informiert, aber nicht involviert gewesen. Kurz: Er habe auf die Postenbesetzungen keinen Einfluss genommen.


Diese Aussagen erachtete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für unglaubwürdig. Sie stellte daher einen Strafantrag gegen Sebastian Kurz (und zwei weitere Angeklagte), in dem sie diesem eine falsche Beweisaussage gem § 288 des Strafgesetzbuchs vorwarf. Danach machen sich Auskunftspersonen in einem Untersuchungsausschuss genauso strafbar wie Zeugen in einem Gerichtsverfahren, wenn sie vorsätzlich die Unwahrheit sagen. Nach zwölf Verhandlungstagen sah der Richter am Straflandesgericht diesen Vorwurf – zumindest betreffend eine von drei angeklagte Aussagen des Ex-Kanzlers – als erwiesen an.


Die Aussage von Kurz sei nämlich nicht nur objektiv unrichtig gewesen; Der Ex-Kanzler sei sich dessen auch wohl bewusst gewesen – und habe demnach bewusst unvollständige Angaben zu seiner Beteiligung gemacht. Erklärend führte der Richter dabei aus, dass auch das Verschweigen bestimmter Tatsachen eine Aussage im Ergebnis zur „falschen Beweisaussage“ machen könne.


Aus anwaltlicher Perspektive zog Sebastian Kurz zwar alle Register, doch auch seine Berufung auf einen sogenannten „Aussagenotstand“ war in diesem Fall nicht erfolgreich. Danach ist diejenige für ihre Falschaussage nicht strafbar, die bloß zur Abwendung einer strafgerichtlichen Verfolgung die Unwahrheit sagt. Dagegen wendete die Anklägerin – also die WKStA – aus Sicht des Gerichts zu Recht ein, die unrichtige Aussage von Kurz sei viel mehr politisch motiviert gewesen: Dieser habe deswegen unvollständig ausgesagt, um sich in der politischen Arena keiner Kritik auszusetzen.


Im Ergebnis sprach Richter Radasztics daher eine insgesamt Freiheitsstrafe von 8 Monaten aus, die für eine sogenannte Probezeit von 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird. Nur wenn Kurz also im Laufe dieser Probezeit eine weitere Straftat begeht, für die er anschließend verurteilt wird, ist es denkbar, dass er seine Haftstrafe auch tatsächlich antreten muss. Damit kommt Kurz – verglichen mit der in § 288 StGB vorgesehenen Höchststrafe – noch mit einem blauen Auge davon: Schließlich wäre in seinem Fall eine Haft bis zu 3 Jahren im Rahmen des Möglichen gewesen – im konkreten Fall fiel aber mildernd ins Gewicht, dass der 37-Jährige bis dato noch unbescholten war.


Trotz der für das Gericht eindeutig erwiesenen Schuld von Sebastian Kurz richtete der Richter in seiner Urteilsbegründung aber auch mahnende Worte in Richtung der Politik: Schließlich befänden sich Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss – verglichen mit der Rolle einer Zeugin – häufig in der problematischen Position, dass sie nicht immer objektiv und unvoreingenommen befragt würden. So könne das – freilich noch nicht rechtskräftige Urteil – gegen den Ex-Kanzler nicht ausschließlich als Mahnung an Sebastian Kurz, sondern für die Politik im Ganzen verstanden werden.


Kurz gesagt


  • Sebastian Kurz ist am vergangenen Freitag vor dem Wiener Straflandesgericht wegen falscher Beweisaussage zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

  • Der falschen Beweisaussage nach § 288 StGB können sich nicht nur Zeugen vor Gericht, sondern auch Auskunftspersonen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss schuldig machen.

  • Im konkreten Fall hat sich Sebastian Kurz unter anderem auf einen sogenannten Aussagenotstand berufen. Das Gericht kam aber zum Ergebnis, Kurz habe aus politischem Kalkül, und nicht aus Angst vor strafgerichtlicher Verfolgung falsch ausgesagt.

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